biblio - Weihnachtstipps 2025
Bücher des Monats Dezember
Seit September gibt es den monatlichen Buchtipp der Bibliotheksfachstelle, den unterschiedliche Bücher-Menschen abwechselnd für biblio-wien auswählen. Am Jahresende tun sie es alle gemeinsam und jede:r gibt einen ganz eigenen Buchtipp ab. Besondere Lese-Erlebnisse aus dem vergangenen Jahr, die sich sowohl als Privatlektüre für die Feiertage, als auch für den Bibliotheksbestand eigenen. Frohes Bücherfest!Claudia Gürtler/Renate Habinger: Farbe, Eule, Stift und Katze. Jungbrunnen 2025.
Alles beginnt mit einem Buch mit leeren, weißen Seiten, das Mina unter dem Christbaum auspackt. Farben, Pinsel und Stifte sind dabei, also fängt sie an. „Nicht alles, was man zeichnet, gelingt auf Anhieb. Sie zeichnet eine Katze mit frechem Gesicht.“ Renate Habinger taucht dafür gekonnt einen dicken Pinsel in schwarze Tusche, malt den Körper des Tieres in bewegten Linien – Minas erster Versuch einer Katze. Farben kommen dazu, Gelb und Blau, Grün-, Braun-, Grautöne. Und Eulen. Einfach ist das für Mina nicht! Sie probiert viel, durchlebt Zufriedenheit, Staunen, dann Wut und auch Verzweiflung. Sie ist mittendrinnen, während die von ihr selbst geschaffenen Figuren um sie agieren. Claudia Gürtlers klare sowie poetische Sprache leitet durch das Bilderbuch und lässt dabei viel Raum, den es auch braucht, wenn über künstlerische Schaffensprozesse erzählt wird, über die Lust als auch den Frust am Zeichnen und Malen. Langes Betrachten und wiederholtes Lesen ist empfohlen, mit jeder Lektüre zeigen sich neue Schattierungen und Schichten. Wir gut, dass dieses großartige Bilderbuch das ganze Jahr über passt! So wie auch zu Weihnachten, und das, ohne ein Weihnachtsbuch zu sein.
Andrea Kromoser | buch:details
Jenny Valentine: Zwei Seiten eines Augenblicks. Hanser bei dtv 2025.
Nun, die Feiertage sollten ja eine Wohlfühlzeit sein, da will man sicher keinen Jugendroman lesen, in dem gerade die beste Freundin der Ich-Erzählerin gestorben ist. Oder doch? Zum Beispiel, weil diese Freundin – ihr Name sei Mab – sich einfach weigert, tot zu sein und sich als Untote an die Ich-Erzählerin Elk hängt. Und zwar ungeachtet der Schrammen, die jener Verkehrsunfall ihr zugefügt hat, der zum bitteren Ende einer Partynacht geführt hat.
Doch als Untote gilt es keinen Beauty-Wettbewerb zu gewinnen ... es gilt vielmehr die Frage zu klären, warum Elk sich nicht von der Freundin und die Freundin nicht von Elk lösen kann? Zeit erscheint plötzlich unerheblich und wird in jenem Augenblick des Unfalls aufgesogen, als wäre er ein schwarzes Loch. Das Davor und Danach beginnen einander zu überlagern, Erinnerungen wechseln sich mit jenen durchaus skurrilen Szenen ab, in denen sich die vorlaute Mab weiter in Elks Leben mischt. Erst nach und nach laufen all diese Ereignisse auf die Nacht des Unfalls zu und es wird immer deutlicher, was hier eigentlich passiert ist. Und wer den Plot Twist kommen gesehen hat, der hat sich nicht von der Spannung der Freundschaftsgeschichte und dem Schrecken der Ereignisse mitreißen lassen, sondern wirklich ganz genau gelesen ... In jedem Fall: Toll erzählt!
Heidi Lexe | STUBE
Doris Knecht: Ja, nein, vielleicht. Hanser Berlin 2025.
Mit der Gabe, Alltagssituationen genau zu beobachten, auch wenn dies nicht immer angenehm wirkt, verbindet die Autorin feinfühlig und schonungslos gut nachvollziehbare individuelle Zugänge der Protagonist*innen mit einer detaillierten Analyse des gesellschaftlichen Wandels in Bezug auf Liebe, Freundschaft und die Sinnhaftigkeit von Beziehungen. Die vorerst oberflächlich wirkenden Beschreibungen der Gefühle zum Beispiel bei Zahnarztbesuchen erzeugen in den Zwischenräumen der Zeilen nachwirkende Reflexionen über die Vergänglichkeit, das Altern und andere existenzielle Fragestellungen. Selbst die Auseinandersetzung über die Art und Weise, wie eine Wohnung für unerwarteten Besuch vorbereitet und geputzt werden muss, lässt einen schmunzeln, mit den eigenen Handlungsritualen vergleichen und die Sinnhaftigkeit der eigenen Ordnungsperfektion hinterfragen.
Leicht und genussvoll lesen sich auch die Einschübe über fiktive oder reale Diskussionen mit dem Lektorat und über deren mögliche Gestaltungsvorgaben. Unbedingt lesenswert!
Birgit Leitner | bn
Rainer Oberthür: Die Kinderbibel. Eine Entdeckungsreise.
Mit Bildern v. Marieke ten Berge. Gabriel 2025.
Wie zeigt sich Gott? Eine Frage, die im Advent eine ganz zentrale Stellung hat. Und ebenso wie wir am 24. Dezember die Ankunft Christi feiern, so gipfelt auch diese fein kuratierte Kinderbibel in Geschichten von einem Menschen, in dem Gott sichtbar wird. In acht Stationen (und mit vier Zwischenhalten) paraphrasiert der Religionspädagoge acht biblische Geschichten mit dem Fokus auf der Begegnung von Menschen mit Gott: Ob der Auszug aus der Gefangenschaft, in der Welt, Adam und Eva, Kain und Abel, Noah, Babel, Ruth, Hiob, Jona, Elija oder schließlich Jesus. Entlang biblischer Biografien wird die göttliche Begegnung aufgedröselt und dabei ein wohldosierter Ton gewählt, die Bibelstellen mit einordnenden Passagen kombiniert. Reich bebildert und ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, ohne dabei auf wichtige Eckpfeiler einer Kinderbibel wie Arche Noah oder Jona und der Wal zu verzichten, liegt der Fokus auf dem Miteinander von Gott und Mensch, lotet dabei auch menschliche Besonderheiten aus und zeigt, wie unterschiedlich die göttliche Begegnung sein kann – ganz ohne Zeigefinger, aber dafür mit einer Portion Neugierde, sich auf den Dialog mit der Bibel einzulassen.
Alexandra Hofer | STUBE
Kekla Magoon: Die Bibliothek der verborgenen Dinge. dtv 2025.
Zeit ist ein seltsames Konstrukt: Manchmal rast sie, dann scheint sie stillzustehen – zum Beispiel, wenn man endlose 24 Tage auf das Christkind wartet. Noch viel länger soll Dally warten, bis sie den Brief ihres verstorbenen Großvaters öffnen darf. Aber hätte er wirklich erwartet, dass seine neugierige Enkelin sich daran hält, zumal ihrer Mutter ohnehin alles gleichgültig zu sein scheint? So gelangt Dally sieben Jahre zu früh in die „Bibliothek der Geheimnisse“, einem magischen Ort, an dem Erinnerungen zwischen Buchdeckeln aufbewahrt und für die Lesenden zugänglich bleiben. Statt über eine Situation zu lesen, wird Dally mitten hineinkatapultiert und nimmt am Geschehen teil. Auf diese Art begegnet sie mehreren ihr unbekannten Vorfahren, deren Leben sowohl von Abenteuern als auch von rassistischer Ausgrenzung, struktureller Ungerechtigkeit und Gewalt geprägt war. Durch den Zauber der Bücher fügt Dally sich stets ganz natürlich in die Vergangenheit ein, nur ein Junge schein zu bemerken, dass sie fremd ist. Wer ist er? Und warum kommt er Dally so bekannt vor?
Verpackt in viel Spannung und Humor zeigt Magoon, wie Schmerz, Angst und Hilflosigkeit Menschen dazu bringen können, ihre eigene Geschichte zu verdrängen.
Simone Weiss | Stadt Wien Büchereien
Renate Welsh: Ich fall mir selbst ins Wort. Czernin 2025.
Eigene Kindheitserlebnisse zu literarisieren, das nehmen sich Autor*innen immer wieder vor. Diese Erinnerungen aber mehr als 20 Jahre später noch einmal in den Blick zu nehmen ist selten. Nicht weniger als das tut Renate Welsh in diesem Band: 2002 erschien im Obelisk Verlag unter dem Titel „Dieda oder Das fremde Kind“ ein Text, in dem sie von ihrem kindlichen Erleben der letzten Tage des „Dritten Reiches“ erzählt, die sie mit der Familie der zweiten Frau ihres Vaters im früheren Ferienhaus in Altaussee verbrachte. Nun fällt sie sich also selbst ins Wort: Passagen aus dem Buch werden mit datierten Überlegungen dazu aus heutiger Sicht kontrastiert. So kommt etwa in „Wien, 2020“ zur Sprache, wie sich eine ihrer Schwestern darüber beklagt, im Buch nicht vorzukommen – Welsh kommt zu dem Schluss, dass diese eigentlich recht habe, sieht aber gleichzeitig, warum es für sie zum Zeitpunkt des Schreibens notwendig war, ihre eigene Perspektive ins Zentrum zu stellen. In diesem Mit- und Ineinander aus Kindheitserinnerung und Reflexion darüber entsteht ein dichtes Geflecht aus Gedanken, dass das Wesen der Literatur ebenso miteinbezieht wie die Schwierigkeit der Erinnerung: „Erinnerung spielt seltsame Spiele mit uns."
Kathrin Wexberg | STUBE
Jegana Dschabbarowa: Die Hände der Frauen meiner Familie waren nicht zum Schreiben bestimmt. Zsolnay 2025.
Da sind die Augenbrauen, die Haare, der Hals, da ist Rücken, Mund, Schultern und da sind die Hände der Frauen, die Essen auftun sollen und Arbeit verrichten und nur an Hochzeitsfesttagen goldringgeschmückt und manikürt tanzen dürfen. Schreiben sollen sie nicht, diese Hände der Frauen aus der Familie der aserbeidschanischen Ich-Erzählerin, die in Russland als Minderheit den Stand des Außenbleibens haben. Reden soll der Mund nicht und schweigen soll er über die Gewalt, die dem Rücken, den Schultern und dem Hals der Frauen angetan. So erzählt sich die Protagonistin durch die Körperabschnitte und zugleich durch eine Kulturgeschichte vernarbter Körperlichkeit. Von verfestigten Routinen häuslicher Gewalt und geheimgehegter Freuden der Frauen unter sich, vom Ducken und Aufrichten ihrer Mutter und Großmütter, von den Tanten und den Kinderbäuchen und von sich selbst und dem eigenen, kaputten Körper, der an Dystonie erkrankt ist und mehr und mehr versteift. Jegana Dschabbarowa, 2023 aus Russland geflohen, erschafft das schmucklose Bild einer Gegenwärtigkeit, das durch großes Talent für Zwischentöne einen gesellschaftlichen Tiefenblick zulässt.
iris gassenbauer | Literarische Kurse
Stephanie Garber: Alchemy of secrets. cbj 2025.
Magische Mythen in die Gegenwart zu holen, ist ein Motiv, das aus der Phantastik nur allzu vertraut ist. Stephanie Garber geht in Alchemy of Secrets jedoch einen Schritt weiter: Sie verwebt urbane Legenden mit der konkreten Topografie von Los Angeles und macht die Stadt selbst zur Erzählerin. Im Zentrum steht Holland St. James, eine junge Frau, die sich in einem Folklore-Seminar mit Mythen beschäftigt und plötzlich selbst Teil einer Geschichte wird, die ihr Leben bedroht. Der „Watch Man“, eine Figur, die angeblich den Tod vorhersagen kann, sagt ihr den eigenen Untergang voraus. Was wie eine Vorlesung beginnt, verwandelt sich in eine fiebrige Suche nach dem „Alchemical Heart“, einem Artefakt, das Rettung verspricht.
Garber gelingt es, bekannte Orte: das Hollywood Roosevelt Hotel, die Queen Mary, die Colorado Street Bridge, nicht als Kulisse, sondern als lebendigen Speicher von Geschichte und Geheimnis zu inszenieren. So entsteht ein Text, der weniger auf Cliffhanger setzt als auf Atmosphäre: ein Geflecht aus Erinnerung, urbaner Legende und persönlicher Tragödie. Manche Nebenfiguren bleiben blass, manche Fragen offen, doch gerade darin liegt die Spannung. Alchemy of Secrets lädt dazu ein, die Stadt der Engel neu zu sehen: als Kartografie des Verborgenen, als Liebeslied an ihre Schatten und ihr Leuchten. Ein Buch, das sich bestens als Winterlektüre eignet; geheimnisvoll, schimmernd und voller Versprechen.
Carmen Schiestek | STUBE
Die Buchtipps der vergangenen Monate findet man >> hier
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cs/cs









