biblio - Buch des Monats September 2025

Buch des Monats September

Wie anfangen? Zum Beispiel mit dem ersten Satz. Was daraus alles entstehen kann, zeigen zwei Meister des Anfangens und Weitererzählens in einem wunderschön gestalteten Bilderbuch. 

Kinder sind Meister:innen der Anfänge. So hat es Heinz Janisch einmal in einem Werkstattgespräch formuliert. (Nun gut, er hat gesagt: Kinder sind Meister der Anfänge. Aber das ist jetzt nicht wichtig …) Als Kind gilt es, ständig Neues zu erlernen: das Essen mit Messer und Gabel, das Radfahren, das Lesen. Es gilt aber auch, Neues zu entdecken, neue Orte zu erkunden, neue Handlungen zu erproben, neue (Wissens-) Welten zu erforschen. Dazu gehören auch fiktionale Welten mit all ihren Ritter:innen und Seiltänzer:innen, mit ihren Bären, die Fußball spielen und Leuchttürmen, die auf Blumenblüten wachsen.  
Denn Fiktion ist immer gebunden an das Fabulieren. Gemeint ist damit das Ersinnen von etwas Nicht-Wirklichem. Wer fabuliert, ersinnt nicht-wirkliche Personen, nicht-wirkliche Ereignisse, nicht-wirkliche Handlungen, nicht-wirkliche Situationen. Zum Beispiel diese:  
Ich wollte gerade unsere Katze streicheln, da verwandelte sie sich. Damit setzt das Fabulieren ein, denn: Wie darf man sich diese Situation vorstellen? Wer ist das Ich und wo befindet es sich? Und vor allem: In wen oder was verwandelt sich die Katze?  

Ein Anfang ist gesetzt. Oder genauer gesagt: Einer von 33 Anfängen, die zum Weiterdenken und Weitererzählen einladen. Heinz Janisch, Poet und aktueller Preisträger des Hans Christian Andersen-Preises, hat diese Anfänge ersonnen und platziert seine Leser:innen damit vor nicht-wirklichen Türen. Mutig und gespannt darf man sie öffnen: Die Anfangssätze bilden die Doppelseiten von Schul- oder Notizheften, in geschwungenen oder krakeligen Buchstaben in Tinte oder Kreide. Mit dem Umblättern tritt man ein – in die Welt der Fantasie. Wird diese Bild-Welt den eigenen Gedanken, Ideen und Vorstellungen entsprechen? Oder wird sie unsere Gedanken, Ideen und Vorstellungen in ganz andere, neue, überraschende, irritierende, beglückende, verwegene Richtungen lenken? Weil die harten Stoppeln der Fußballschuhe zu einem Schildkrötenpanzer werden und das schwebende Hochgefühl sich nicht am Rasen, sondern in einer entgrenzten Unterwasserwelt innerer Glückseligkeit abspielt?  
In rhythmischer Abfolge mit den Anfangssätzen erschafft Michael Roher illustratorisch kunstvolle Denk-Möglichkeit. Er arbeitet mit Papier und Plexiglasplatten, mit Druck- und Collagetechniken und reagiert damit auf das Miteinander durchlässiger Wahrnehmungsebenen und konkreter Emotionen. Er lässt den Lärm und die Stille im Licht der Diskokugeln tanzen und platziert geheimnisvolle Vogelnester in ausgekratzten, schwarz-silbrigen Baumgabeln, wenn es heißt: Ich erzähle dir eine Geschichte, sagte mein Bleistift.  
Und das ist erst der Anfang ... 

Das Buch des Monats September:
Heinz Janisch / Michael Roher: Das Buch der Anfänge. Tyrolia 2025. 72 Seiten. 

Den Buchtipp des Monats September hat Heidi Lexe, Leiterin der STUBE, ausgesucht und in Zusammenarbeit mit BN - Bibliotheksnachrichten erarbeitet.
Zahlreich weitere Buchtipps der STUBE findet man >> hier
Die Homepage des Illustrators Michael Roher findet man >> hier
Das Kinderbuchprogramm des Verlags Tyrolia findet man >> hier

Der monatliche Buchtipp von biblio wien wird von der Bibliotheksfachstelle in Zusammenarbeit mit den Teams der STUBE, der Literarischen Kursen, des Katholischen Bildungswerks der Erzdiözese Wien, des Österreichischen Bibliothekswerk sowie Andrea Kromoser (buch:details) und Simone Weiss (Stadt Wien Büchereien) erarbeitet. Die Bibliotheksfachstelle sagt DANKE für die gute Zusammenarbeit in der Erwachsenenbildung!  

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